Computerprogramm gegen Amokläufer

Mi, 19 Mai 2010 02:01:11 +0200

Lol schon wieder meint irgendwer er hätte eine Möglichkeit gefunden Amokläufe anhand von Verhaltensmustern programmatisch vorauszusagen, schreibt gulli.com – sorry, das hab ich inzwischen einmal zu oft gehört um es wirklich zu glauben. Dass es Profiling-Software gibt die zumindest Anhaltspunkte geben kann ok. Aber dass man damit irgendeinen Amoklauf wirklich verhindern kann, das bezweifle ich stark.

Zum Einen müsste man damit sehr viele Informationen sehr vieler Personen sammeln – ich denke mal, so viel, dass selbst noch so viele Polizeigewerkschaftspressekonferenzen die Bevölkerung nicht mehr davon überzeugen könnten.

Außerdem sehe ich in sowas eine Gefahr. Die Frage die sich mir stellt: Angenommen, so eine Software würde wirklich funktionieren. Und angenommen, sie würde auf irgendeinen Menschen anschlagen, der sich sonst nichts vorzuwerfen hat. Was soll man tun? Soll man ihn zwingen eine Therapie zu machen? Soll man ihn einsperren? Ich bezweifle, dass das noch irgendwie mit rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar wäre, einen Menschen „präventiv“ einzusperren, vor allem nachdem sich der Gesetzgeber schon so schwer mit dem Stalking-Gesetz getan hat.

Imho produziert so etwas drei Dinge, die wir gerade im Moment am wenigsten brauchen: Angst, Misstrauen und Schuldige.

Schuldige vor Allem im Falle eines Amoklaufs. Denn nicht nur der Amokläufer wird schuld sein, sondern etliche Behörden, die nicht rechtzeitig reagiert haben, obwohl deren Profiling den Amokläufer frühzeitig erkannt hätte. Wir haben in letzter Zeit sowieso schon viel zu viele Mitschuldige bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Anstatt eines komplizierten Computerprogramms das versucht einzelne Täter herauszupicken sollte man vielleicht eher nach den gesellschaftlichen oder sonstigen Gründen für die – angeblich – gestiegene Anzahl an Amokläufen in der letzten Zeit suchen.

Misstrauen vor Allem gegenüber dem Staat und der Polizei, die noch mehr Daten von uns sammelt, und diese möglicherweise in großen Datenbanken ansammelt, die dann – wie so oft – von irgendwem Gehackt werden, der damit die Persönlichkeitsprofile vieler Menschen hat. Außerdem ist ja nicht auszuschließen, dass die Daten die gesammelt werden fehlerhaft sind, und es ist auch nicht auszuschließen, dass sie wissentlich manipuliert werden. Und, wenn jemand erstmal als potenzieller Amokläufer stigmatisiert wurde, wird er eine sehr schlechte Position haben eine solche wissentliche Manipulation aufzudecken und sich dagegen zu wehren. Das Letzte was wir brauchen ist noch mehr Misstrauen gegenüber dem Staat. Davon gibt es eh schon genug.

Das Schlimmste ist wohl die zusätzliche Angst. Zunächst mal wird die Angst vor Amokläufen dadurch wohl eher verstärkt als geschwächt. „Die da oben“ werden ja schließlich ihre Gründe haben, warum sie so eine Maßnahme einführen. Zusätzlich zu der Angst vor neuen Amokläufen kommt die Angst davor, sich irgendwie auffällig zu verhalten, und selbst fälschlich als potenzieller Amokläufer „erkannt“ zu werden. Man wird von solchen Fällen hören (denn es wird sie sicher geben), und sein Verhalten unbewusst anpassen. Wahrscheinlich wird es dann irgendwann Kurse geben, wie man sich verhalten soll, um nicht erfasst zu werden.

Was ich damit sagen will ist nicht, dass ich eine solche Technik grundsätzlich sinnlos finde. Im Gegenteil, der Einsatz von Computern in der Psychologie ist sowieso etwas was ich ziemlich stark vermisse irgendwie. Ich rate nur zur extremen Vorsicht. Das Wissenschaftsteam wird – wie die meisten guten Wissenschaftsteams – vor Allem Nerds beinhalten, die von ihrer Sache fasziniert sind und dementsprechend diese auch benutzen wollen. Die Politiker werden wie üblich höchstens die Hälfte verstehen aber meinen, es sei ja ihre Aufgabe das Volk mit allen Mitteln vor Gefahren zu schützen. CCC und Konsorten werden das Ding unter die Lupe nehmen, kritisieren und wie üblich erstmal ignoriert werden.

Darum rate ich zur Vorsicht von vorne herein. Ich halte Derartiges für interessant aber auch hochgefährlich.


„Entwicklungsland“ Indien

Mi, 19 Mai 2010 01:15:48 +0200

Das als Entwicklungsland bekannte Indien will offenbar ein eigenes Betriebssystem schreiben, um Unabhängig von speziellen Anbietern und Staaten zu sein.

Damit sind sie schon mal schlauer als unsere Helden mit ihren seltsamen Mautplänen und diversen Wahlcomputern oder dem Verschenken von Volkseigentum.


Artensterben stoppen – ein Aufruf zur Arten-Gerechtigkeit

Mo, 17 Mai 2010 01:57:10 +0200

Was meine geplagten Augen da mal wieder lesen mussten, im SZ-Artikel zum UN-Bericht ueber das Artensterben. Gleich der erste Satz ist treffend – „Die Weltgemeinschaft hat versagt“ – dann folgen einige Statistiken und Zahlen, die der geneigte Leser sich selbst zu Gemuete fuehren moege. Quintessenz: Mehr Arten wurden durch den Menschen ausgerottet als ausgerottet haetten werden sollen.

Auf wirtschaftliche und politische Probleme werden solcherlei Dinge gerne wegabstrahiert, denn aermere Laender kuemmern sich nicht um das Artensterben weil sie es nicht koennen weil sie ja so arm sind und erstmal an sich denken muessen und blafasel, und die einzige Loesung des Problems ist damit, solchen Laendern Geld in den Arsch zu schieben, damit sie einen genauso gut funktionierenden Kapitalismus aufbauen koennen, wie den unsrigen.

Das Problem ist aber meiner Meinung nach ein ganz anderes, und wird denke ich ziemlich gut im Schlusssatz des SZ-Artikels deutlich, der da lautet „Doch wenn die Menschheit so weitermacht wie bisher, wird es irgendwann alle treffen„, alle im Kontrast zu den armen Fischern, denen jetzt halt ihre Fische wegsterben. Artenschutz motiviert durch menschlichen Wohlstand – ich behaupte, das ist es, was das Problem verursacht. Der mangelnde Respekt vor dem, was anders ist als man selbst, die Haltung, die Welt als metaphorische Kuh zu sehen, der man immer genau so viel zu Fressen gibt, dass ihre Milchleistung nicht nachlaesst. Kurzum, das Problem ist der Speziesismus.

Warum interessiert sich keine Sau fuer die Millionen an Fischen mit denen wir unseren Kindern die Maeuler stopfen, die sich vielleicht auch nicht so gut dabei fuehlen, zu panierten Quadern verarbeitet und von haesslichen sabbernden fetten Monstern verschlungen zu werden? Weil es uns eigentlich egal ist. Und solange dies so bleibt ist das Artensterben nicht aufzuhalten.

Der Mensch hat die Macht, sich selbst und anderen beliebig zu schaden. Das Einzige, was ihn wirklich davon abhalten kann, ist seine Moralvorstellung. Erst wenn wir es als moralisch schlecht empfinden, dass Tiere und Pflanzen sinnlos getoetet werden, und ihnen sowohl eine Wuerde als auch einen Individualbegriff zusprechen, kann sich dies ueberhaupt aendern.

Die Betrachtung unterschiedlicher Menschentypen und deren essenziell unterschiedliche Behandlung hat auch niemals vorher aufgehoert, die Rassentrennung in den USA hat nicht aufgehoert weil ein paar Wissenschaftler gemeint haben, Gleichberechtigung koennte fuer die Armeekraft und Wirtschaft gut sein, sie hat aufgehoert weil die Moralvorstellungen der Gesellschaft sich langsam weiterentwickelt haben.

Moral ist letztlich doch nichts anderes als ein Mechanismus der Arterhaltung, erst die Moral hat dazu gefuehrt, dass wir uns nicht wie einige Primaten staendig die Koepfe einschlagen, sondern zumindest erst grosse Kulturen bilden bevor wir uns die Koepfe einschlagen – mir kann es, abgesehen von moralischen Bedenken, egal sein ob ein anderer Mensch gequaelt wird, solange ich nicht betroffen bin. Erst die Moral sorgt dafuer dass es mir nicht egal ist, und aus diesem Moralgefuehl heraus resultiert der Wille zu einer Gesellschaft die diesen Moralvorstellungen entspricht, und nur deswegen engagiere ich mich ueberhaupt in irgendeiner Weise politisch oder kulturell – ja, Moral hat den Willen, sich zu verbreiten, das macht sie zu einem vortrefflichen Werkzeug der Arterhaltung und -verbreitung.

Und so muessen unsere Moralvorstellungen sich auch endlich auf Tiere und Pflanzen beziehen. Dabei geht es garnicht darum, die Nutztierhaltung und das Essen von Fleisch sofort zu verbieten, auch wenn dies aus meiner Sicht sehr erstrebenswert waere, so ist es doch nicht realistisch, dass sich diese Moralvorstellungen in ausreichend kurzer Zeit durchsetzen wuerden. Viel mehr muss das Bewusstsein und das Interesse fuer einen wuerdevollen Umgang mit Nutztieren und Nutzpflanzen geweckt und gestaerkt werden, anstatt es mit anderen moralischen Vorstellungen zu relativieren.

Dass irgendwo ein Tier gequaelt wird und dass man sich nicht darum kuemmern muss weil anderswo ein Kind verhungert darf keine akzeptierte Argumentationsweise mehr sein, denn es wird immer hungernde Menschen geben, und immer Strukturen, die dafuer sorgen, dass irgendwer sich ueber andere erhebt und diesen Leid zufuegt. Die schwierigste Herausforderung in diesem Zusammenhang ist freilich zu akzeptieren dass einige Tierarten speziesistisch sind, und diesen dennoch ihr Recht zuzusprechen. Das ist ein aehnlich schwieriges Problem wie das Zusprechen von Menschenrechten gegenueber Menschen die sich selbst nicht an Menschenrechte halten wollen. Gerade hier wird wieder der pragmatische Charakter der Moral deutlich: Der Hauptgrund warum man allen Menschen ein unveraenderliches und unveraeusserliches Recht zuspricht ist, weil man verhindern will, dass irgendwer aus irgendeinem Grund dieses Recht bricht – und sei es nur aufgrund der Rechtbrechung selbst – zumal es Menschen gibt, deren Verstand nicht ausreicht, um ihr Fehlverhalten zu verstehen, oder die schlichtweg Geisteskrank sind. Tieren muss dasselbe Recht zukommen, sie sind Wesen die den Speziesismus dem sie unterliegen nicht eigenstaendig verstehen koennen, dennoch muessen die allgemeinen Rechte auch fuer sie gelten. Anders als Menschen haben andere Tierarten durch ihr speziesistisches Verhalten aber nicht die Faehigkeit so verheerenden Schaden anzurichten, zumindest unter natuerlichen Bedingungen (in der Folge eines ungewoehnlichen Eingriffes durch den Menschen natuerlich schon).


Ergebnisse der Landtagswahl NRW 2010

Mo, 10 Mai 2010 12:15:23 +0200

In Nordrhein-Westfalen ist gewählt worden. Wie immer sind natürlich nicht alle Parteien zufrieden und wie so oft ist die Regierungsbildung nicht einfach. Aus dem vorläufigen amtlichen Endergebnis (Sitzzahl: CDU 67, SPD 67, Grüne 23, FDP 13, Linke 11), lassen sich folgende Koalitionen mit Mehrheit ableiten: CDU-SPD, SPD-Grüne-FDP, CDU-Grüne-FDP, SPD-Grüne-Linke.

Allerdings gibt es eine Konstellation, der nur 1 Stimme zur Mehrheit fehlt: SPD-Grüne. Nach hiesigen Gepflogenheiten bedeutet das, daß sie mit einer weiteren Partei (dazu könnten sie vermutlich nur die Linke überreden) eine tolerierte Minderheitsregierung bilden.

Jedoch finde ich, es wäre ein guter Zeitpunkt mit Gewohnheiten zu brechen. Meiner Meinung nach sollten SPD und Grüne einfach eine Minderheitsregierung bilden. Die Wahl zum Ministerpräsidenten werden sie sicher gewinnen, zumindestens im vierten Wahlgang (sonst müßten da CDU+FDP+Linke für den gleichen anderen Kandidaten stimmen. Und das kann ich mir nun echt nicht vorstellen).

Aber danach geht es natürlich um Politik. Aber auch da sehe ich nicht so die Probleme, schließlich haben FDP und Linke, sowie CDU und Linke oft so gegensätzliche Vorstellungen, für viele Punkte werden sie schon die eine oder andere Partei für sich gewinnen können. Und wenn Entscheidungen anstehen, bei denen eine relative Mehrheit reicht, werden sie mit der gleichen Methode gewinnen, wie bei der Wahl zum Ministerpräsidenten. Einen Teil der Entscheidungen kann die Regierung auch ohne Parlament treffen. Regierungsfähig ist sie in diesem Zustand also durchaus. Natürlich ist das zusammengenommen nicht ganz so komfortabel, wie eine eigene Mehrheit, aber immerhin.

Außerdem sorgt das dafür, daß die Parlamentsdebatten stärker auf Kompromis angelegt sind, als sie das bislang oft sind, und das die Meinung der einzelnen Abgeordneten auch mehr Gewicht bekommt. Das finde ich persönlich auch einen guten Punkt an so einer Konstellation, allerdings verstehe ich, warum das für eine Partei eher ein Gegenargument ist.


Warum die Politik mehr Interesse an Netzkompetenz zeigen sollte

Fr, 30 Apr 2010 13:51:50 +0200

Würde ich irgendeinem Fremden auf der Straße meine EC-Karten-PIN sagen? Oder ihm meine Adresse geben? Ihm private Dinge anvertrauen? Oder mich vor ihm ausziehen?

Irgendwie glaube ich, die meisten Leute würden diese Frage trivialerweise mit einem „Nein“ beantworten. Mich wundert es deshalb immer wieder, wieso solche Dinge, die eigentlich jedem klar sein sollten, im Internet so oft keine Anwendung finden.

Alleine die Tatsache, dass Phishing-Mails nach wie vor als „Gefahr“ angesehen werden, obwohl auf den Formularen zum Online-Banking mehrfach dick und fett zu lesen ist, „wir werden Sie niemals zur Angabe ihrer Pin auffordern“.

Nun gibt es wie im RL auch im Internet einen Haufen perverser Leute. Da aber die Meisten ihren gesunden Menschenverstand im Internet offenbar ausschalten, haben Erstgenannte es dort freilich erheblich leichter. Und so kommt es, dass man so schockierende Meldungen liest wie „Mädchen mussten sich ausziehen„.

Als ich die Schlagzeile las dachte ich eigentlich erst an irgendeinen neuen Missbrauchsfall in irgendeiner größeren Einrichtung, von denen ja momentan häufiger berichtet wird. In Wirklichkeit handelt es sich aber um einen Vierunddreißigjährigen der sich als pubertären Jungen ausgegeben hat, und Mädchen online dazu aufgefordert hat, sich vor ihrer Webcam auszuziehen.

Vorweg: Ich bin froh dass sie so jemanden geschnappt haben, dieses Verhalten ist unmoralisch, und soll bestraft werden. Trotzdem will ich – mal ganz ohne moralische Wertung – ein paar Dinge anmerken.

Zum einen, dieser Mensch war offenbar weniger schlau, denn hätte er es dabei belassen, dass sich die Mädels vor ihm ausziehen, wäre er wohl kaum aufgeflogen, laut dem ksta-Artikel ist er dadurch aufgeflogen dass er die Mädels danach erpresst hat, weitere unanständige Dinge zu tun, da er ansonsten ihre Nacktbilder weiterverwenden würde. Warum er nicht einfach auf die zahlreichen Pornoportale zurückgegriffen hat, in der Exhibitionisten ihren Spaß haben können, frage ich mich.

Die Mädels waren aber offenbar auch nicht unbedingt mit Verstand gesegnet. Denn anders als die Schlagzeile es sugeriert, „mussten“ die Mädchen sich laut dem Artikel keineswegs ausziehen, sie haben es freiwillig getan. Ich frage mich, was jemanden dazu bewegt, sich vor einer fremden Person auszuziehen, durch einen offenbar unidirektionalen Sichtkanal. Dass zwei Jugendliche über einen Videokanal chatten und sich beide ob der Befriedigung entkleiden, was man meines Wissens als Sexting bezeichnet, nun, das finde ich zwar durchaus auch bedenklich (unverschlüsselte Videoprotokolle, MITMs, Computerviren, etc.), aber es ist beidseitig. Sich vor einer Person zu der man keinen Sichtkontakt hat auszuziehen, das ist wiederum – entschuldigung – einfach nur dumm.

Als hormongeplagter pubertärer Jugendlicher setzt aber vielleicht der Verstand an der Stelle manchmal aus. Das ist verständlich. Das sollten aber die Eltern betreffender Personen schlichtweg wissen. Und dementsprechend ihre Kinder aufklären. Ich glaube nicht, dass es zu viel verlangt ist, seinem Kind zu erklären, es möge bitte NIEMALS Nacktbilder von sich in irgendeiner Weise im Internet versenden, denn was hochgeladen wird, kann sehr schnell und ohne dass man es merkt in falsche Hände geraten, und was einmal im Internet ist, verschwindet von dort auch nicht mehr so einfach. Zumindest das wollen die meisten Jugendlichen wohl kaum.

Genauso sind hier die Schulen gefragt. Verständnis für Internettechnologien ist hier gefragt. Es gibt genügend Beispiele, und genügend Möglichkeiten, den Leuten zu erklären, wie unsicher eine unverschlüsselte Verbindung ist, und wie leicht es ist, im Internet Identitäten zu fälschen. Und wie schwer und warum es schwer ist, etwas, was einmal im Netz steht, da wieder rauszukriegen.

Klar, man kann durch entsprechende Gesetze versuchen, das Netz möglichst weit zu zensieren, und möglichst viele Täter fassen. Aber das Netz ist groß. Zu groß, als dass es technisch möglich wäre, mit bloßer Technik gegen solche Probleme vorzugehen.


Wieder eine Lappalie, mit der der Bundesgerichtshof zugemüllt wird

Do, 29 Apr 2010 19:00:34 +0200

Ich kenne Personen, die den Bundesgerichtshof als einziges noch funktionierendes Staatsorgan ansehen. Zumindest erfüllt es die wichtige Aufgabe, unsere Politiker in ihre Schranken zu weisen, und in sich durch alle Instanzen hindurch nicht klärenden Streitfällen ein Machtwort zu sprechen.

Ich habe mal gehört, Anwälte müssen eine Gebühr zahlen, wenn sie mit einer Klage vor den Bundesgerichtshof gehen, um zu verhindern, dass man mit jedem Bagatellfall davor zieht.

Leider wird wohl dabei nur kontrolliert, ob es sich um eine Frage handelt, die noch nicht entschieden ist, und nicht, ob diese Frage in irgendeiner Weise sinnvoll ist. Und so konnte ich heute lesen, dass eine Künstlerin Google verklagt, weil die Bildersuche Thumbnails ihrer Bilder zeigt.

Zunächst mal finde ich die Bildersuche eine großartige Sache, und sie hat mir schon oft Dinge erleichtert. Nur um das mal vorweg zu sagen. Und ich verstehe auch nicht, was man als Künstler dagegen haben kann, dass man die eigenen Bilder in der Bildersuche findet. Es sind thumbnails. Vorschaubilder. Mehr nicht.

Desweiteren verstehe ich nicht, warum ein Künstler seine Werke ins Internet stellt, wenn er nicht will, dass diese auch gesehen werden. Ich nehme mal stark an, die betreffende Künstlerin wird so vorgegangen sein – denn befinden sich ihre Bilder im Internet ohne dass sie dazu beigetragen hat, dann war dies sicher nicht Googles Schuld, und sie sollte vielleicht den verklagen, der sie primär ins Internet stellte. Oder handelt es sich hierbei womöglich um das Missverständnis, das Internet sei nur eine große Verkaufsplattform für Inhalte?

Auch Googles Verhalten scheint in dieser Sache seltsam zu sein. Eigentlich kennt man es doch eher so von Google, dass sie Inhalte, die man nicht verlinkt haben will, nicht mehr verlinken, wenn man es ihnen direkt sagt. Um zum Bundesgerichtshof gehen zu dürfen muss man aber doch meines Wissens einige Instanzen durchlaufen. Einzig und Allein könnte ich mir vorstellen, dass Google hier ebenfalls ein Interesse an einer Rechtssicherheit hat. Immerhin: Wenn ein Gesetz draußen ist, müssen sich auch die Konkurrenten daran halten. Wenn nicht, wird Google als führender Anbieter vermutlich mehr Klagen an den Hals bekommen als Andere.

Dann ist natürlich die Frage, darf Google prinzipiell urheberrechtliches Material cachen und Daumennägel davon als Suchergebnisse anbieten, auch wenn der Urheber dies nicht will. Meine Antwort wird jetzt vielleicht manch einen erschüttern, aber dazu ist meine Meinung ganz klar: Nein.

Und nun kommt die für mich entscheidende Frage: Hat der betreffende Künstler Google auch entsprechend geltender Internetstandards mitgeteilt, dass er dies nicht will? Zum Beispiel in Form einer robots.txt, and die sich Google und Andere in der Regel halten? Irgendwie zweifle ich das an, denn sonst würde Google sie kaum anzeigen.

Ich frage mich manchmal ohnehin, ob den Leuten überhaupt bewusst ist, dass bei Google nicht ein paar Millionen Heinzelmännchen im Internet surfen und Suchergebnislisten erstellen. Dass da nicht bei jeder Seite irgendwer das Impressum und die speziellen Vorlieben bezüglich welche Seiten jetzt angezeigt werden dürfen und welche nicht durchgelesen und interpretiert wird, sondern ein Automatismus eine syntaktische und semantische Analyse durchführt und dann dass Zeug indiziert. Kein Mensch ist daran beteiligt.

Mein Vorschlag wäre, den robots.txt-Standard rechtlich festzuschreiben. Webcrawler und Bots sind inzwischen viel zu wichtig für das Internet, als dass man sie in dieser starken Weise einschränken sollte, zumal auch die meisten Künstler auch eher ein Interesse daran haben dürften, gefunden zu werden. Per robots.txt könnte dann jeder, der nicht will, dass seine Inhalte Indiziert werden, dies den Webcrawlern mitteilen, und solange diese sich daran halten, und sie in angemessenen Zeitabständen überprüfen, sollte Rechtssicherheit gelten.

Update: Ich bin froh zu lesen, dass der BGH meine Ansicht teilt. Ich frage mich dennoch, brauchte es dafür wirklich den Bundesgerichtshof? Hätte ein wenig Menschenverstand nicht ausgereicht?


Zur Kartoffel: Eine Ironie der Geschichte

Do, 22 Apr 2010 06:03:05 +0200

Es ist vielleicht manch Einem die Geschichte bekannt, dass Friedrich der Große, um zur Verbreitung der Kartoffel unter den Bürgern zu sorgen, überall tagsüber gut bewachte Felder anlegte, die aber in der Nacht so schlecht bewacht waren, dass die Bürger das Pflanzengut klauen und anbauen konnten. Etwas detailreicher ist es auf Wikipedia notiert. Erst durch die entsprechende Bewachung konnte bei der Bevölkerung entsprechendes Interesse geweckt werden.

Ein viertel Jahrtausend später ist die Kartoffel verbreitet, und gehört zu den Standard-Nahrungszutaten, und wird auch in der sonstigen Industrie verwendet. Institutionalisierte Zucht hat eine Fülle an Sorten hervorgebracht, und eigentlich sind diese überall akzeptiert und gerne gesehen. Nun scheinen diese nicht mehr ausreichend zu sein, weshalb man sie „Weiterentwickelt“ hat. Leider ist die Kartoffel zwar (noch) prinzipiell unter freier Lizenz und es gibt viele Aktionen die darauf Zielen, dass dies auch so bleibt, dennoch ist sie aber leider nunmal Closed Source, und wie man das von anderer Software kennt, selbst nach einer kompletten Disassemblierung kann nach Veränderungen im Code ziemlicher Mist passieren, weswegen man die Software erstmal ausgiebig testen sollte, nachdem man sie gehackt hat. Dementsrechend gehen die Tests des aktuellen Hacks einigen Leuten nicht weit genug.

Doch da die Politik sich bekanntlich selten darum Schert, was die Bevölkerung will (was auch daran liegt dass die Wahlentscheidung der Bevölkerung selten davon abzuhängen scheint, was diese will), greift man auf die selben Methoden wie damals zurück, um die Kartoffeln anzubauen.

Ich finde, darin steckt eine seltsame Ironie.


Gedankenlesen …

Do, 18 Mär 2010 12:54:26 +0200

… geht momentan zwar noch nicht nachweislich, aber ich halte es für keine Utopie, dass die Hirnforschung irgendwann soweit kommen kann, Gedanken zu lesen und gezielt zu verändern. Lügendetektoren gibt es zum Beispiel schon lange. Und momentan experimentiert man mit der Steuerung von Bedienelementen durch Hirnströme.

Auf dieses Thema komme ich grade übrigens durch dieses Video, das ich zufällig entdeckt habe. Dort spielt jemand Pinball mit seinen Gedanken.

So faszinierend diese Techniken auch sein mögen, und so sehr ich auch normalerweise modernen Entwicklungen gegenüber positiv eingestellt bin, und zum Beispiel mit Gentechnik und Robotik höchstens moralische Probleme habe, so sehr erfüllt mich die Technologie die in die Richtung Gedankenkontrolle geht doch mit einer gewissen Angst.

Gentechnik führt dazu, dass Tiere zu Produktionsstätten degradiert werden, und dass sich Pflanzen verbreiten, deren langfristige Auswirkungen auf die Umwelt nicht absehbar sind – doch das sind moralische Bedenken. Ich selbst kann mich stets dafür einsetzen, dass man mit dem erlangten Wissen vorsichtig umgeht. Und bisher hat man das wenigstens nach ein paar millionen Toten dann letzten Endes immer getan.

Auch Robotik finde ich eher interessant – klar, man wird Menschen nach und nach ersetzen, und es ist durchaus denkbar, dass irgendwann ein Diktator sich eine Roboterarmee leisten kann (schon heute nutzt man kleine Roboter um an schwer zugängliche Stellen zu kommen) – aber auch hier kann man eine Opposition bilden, die notfalls ihre eigenen Roboter baut.

Doch wenn man die Gedanken eines Menschen kontrollieren kann, fällt jede Möglichkeit des Widerstandes weg. Denn sobald es möglich ist, einen Menschen neural so zu scannen, dass man bestimmte Gedanken und Verhaltensmuster erkennt, wird sicher irgendwer dies ebenfalls tun. Und wenn ich mir ansehe mit wie wenig Widerstand technische Entwicklungen wie Nacktscanner herapplaudiert werden, glaube ich auch kaum, dass sich rechtzeitig ein hinreichender Widerstand finden wird.

Nur um das mal zu veranschaulichen: Man stelle sich vor, morgen käme ein Bericht heraus, dass man eine Technik entwickelt hat, mit der man eindeutig die gesellschaftliche Gesinnung und die Persönlichkeit feststellen kann, und diese Technik ließe sich schön in einem Kasten verpacken, ohne großen Aufwandt – dann würde es mich übermorgen nicht wundern, wenn irgendein Politiker diese Technik an Flughäfen fordert, um festzustellen, welche Passagiere möglicherweise nicht Konform sind und daher zu Terroristen werden könnten. Immigranten würden grundsätzlich auf ihre Verfassungstreue überprüft. Auch die Forderung, die Sexualität von Lehrern zu überprüfen, würde wohl kommen. Es würde wohl früher oder später eine Diskussion losbrechen, ob man diese Technik zur Strafverfolgung verwenden darf, und ob sie als einziges Beweismittel ausreicht, und ob man präventiv jeden Mitbürger gezielt nach betreffenden Gedanken durchsuchen kann, um ihm gegebenenfalls psychologische Hilfe zu geben. Alles für unsere Sicherheit.

Es fiele eine weitere Konstante, auf die unser moralisches System sich so lange stützte, weg: Die Gedanken sind Frei.

Sobald man Gedanken kontrollieren kann, kann man alles kontrollieren – man kann jeden Freidenker eliminieren, bevor Dieser irgendetwas unternehmen kann, was einem schaden könnte.

Ich halte es für töricht, davon auszugehen, dass das niemals funktionieren wird – möglicherweise wird es niemals möglich sein, aber bisher deutet nichts darauf hin. Ich bezweifle aber auch, dass dies in Ansätzen nicht in den nächsten fünfzig Jahren möglich sein wird, ich glaube nicht, dass sich dieses Problem in die Zukunft verschieben lässt, die uns nicht mehr zu interessieren hat.

Eine solche Technik würde uns große und sinnvolle Möglichkeiten bieten. Vom Steuern komplexer Maschinen mittels Gedanken, bis hin zur Möglichkeit, gelähmten Menschen eine Möglichkeit zu geben sich wieder in der Welt zu bewegen, und selbst das Feststellen und Heilen bestimmter Gehirnkrankheiten würde ich mir davon erwarten. Umso wichtiger ist es, sich rechtzeitig Gedanken zu machen, wie die Gesellschaft damit umgehen sollte. In der Hand einer Gesellschaft wie der unsrigen will ich eine solche Technologie aber wirklich nicht sehen.


Stärkung der Arbeitsmoral

Di, 02 Mär 2010 16:43:08 +0200

Entbürokratisierung. Ein Wort, das man hin und wieder hört, zum Beispiel wenn irgendwelche rechtspopulistischen oder wirtschaftsfaschistischen Politiker auf Stimmenfang gehen. Meistens ist damit dann – soweit ich es beurteilen kann – gemeint, irgendwelchen Bauern die Hürden für die Verwendung umweltschädlicher Spritzmittel zu nehmen, oder irgendwelchen Investmentbankern das Steuerhinterziehen zu erleichtern.

Nun, ich als fauler Student bemühe mich ja momentan, neben meinem ziemlich zeitverzehrenden Studium auch noch ein wenig zu arbeiten. Ich habe das Glück, an der Universität als studentische Hilfskraft untergekommen zu sein. Als solche hat man meistens ziemlich kurz befristete Verträge, und wechselt oft die Stelle. Das ist auch gut so. Meistens sind die Stellen mit Vorlesungen verknüpft, und als Student weiß man auch generell selten, wie viel Zeit man in den nächsten Monaten noch haben wird.

Allerdings ist das Vertragsunterzeichnen jedes mal ein riesen Brimborium.

Zum Einen gibt es da einen ganzen Haufen Freibeträge, die man beachten muss. Zum Beispiel gibt es irgendeinen Betrag, ab dem die Steuerfreiheit wegfällt. Dann gibt es einen Kindergeld-Freibetrag. Dann gibt es eine Einkommensgrenze im Bundesausbildungsförderungsgesetz. Und es gibt eine Grenze die man nicht überschreiten darf, um noch familienversichert zu bleiben. All diese Grenzen sind natürlich im Allgemeinen sinnvoll, denn all diese Zusatzleistungen des Staates sind ja explizit dafür gemacht, finanziell schlechter gestellten (zu denen Studenten und Auszubildende nunmal in der Regel gehören, da sie sich in einer Schwebe befinden) eine Erleichterung zu sein, das Problem entsteht eigentlich eher dann, wenn man dadurch, dass man 10 Euro mehr durch Arbeit verdient, insgesamt einige Hunderter weniger hat.

Nunja, wenn man die betreffenden Beträge liest, wird man natürlich erstmal staunen, dass man als studentische Hilfskraft überhaupt so viel verdienen kann. Der Punkt ist aber, dass sich diese Freibeträge teils unterschiedlich berechnen. Und vor Allem dass Universitäten teils zeitlich verzögert bezahlen – und im Allgemeinen der Zeitraum des Erhalts einer Lohnzahlung zählt, und nicht der Zeitraum des Erwerbs. So kam es zum Beispiel, dass mir meine werte Universität im Januar des letzten Jahres den gesamten Lohn des Vorjahres überwiesen hat. Und dass man mit dem Verdienst von zwei Jahren an manch eine Grenze stoßen kann, dürfte klar sein. So konnte ich im letzten Jahr also nur vergleichsweise wenig verdienen, da ich ja vom vorherigen Jahr den gesamten Verdienst noch hatte.

Das motiviert natürlich unglaublich zum Arbeiten. Im Moment muss ich gerade einen Haufen seltsamer Formulare ausfüllen, um eine zweite Hilfskraftstelle antreten zu dürfen. Was mich am Meisten an diesen Formularen aufregt ist, dass die Bezeichnungen von Formular zu Formular sich ständig ändern, und dass selbst die hilfsbereiten Sekretärinnen teilweise überfordert sind, einem genau sagen zu können, was die Verwaltungsstellen eigentlich genau von einem wissen wollen. Aber an der Universität hat man wenigstens solche Sekretärinnen, da die Universität ja ein Interesse daran hat, Studenten zu beschäftigen. Ich möchte nicht wissen, wie es Studenten geht, die dasselbe außerhalb der Universität tun.

Vor Allem möchte ich garnicht erst wissen, wie kompliziert es für manchen Sozialhilfeempfänger wird, wenn er sich dann erstmal eine Arbeitsstelle sucht. Wenn dann erstmal hinzukommt, dass die Person vorher obdachlos war, und der ganze Müll von Wegen Meldepflicht hinzukommt…

Ich erwischte mich dabei, hier an einen der zahlreichen lächerlichen NPD-Wahlwerbespots zu denken, in dem irgendwelche Zwerge Gold finden, welches ihnen von einem Schlipsträger weggenommen wird, und anschließend von einem NPD-Fahnenträger wieder „zurückerobert“ wird (ich verlinke den Spot hier nicht, ich will keine Links auf NPD-Inhalte hier – und so sehenswert ist er nun auch wieder nicht). Der Punkt ist, wenn mich eine solche Situation schon an einen solchen Werbespot erinnert, wo ich mit meinem Bildungshintergrund wenigstens noch das Fleckviehexkrement kenne das in den Nationaldemokraten steckt, und zusätzlich sehe, dass sich die gesamte Situation eben nicht so einfach darstellt, wie sie in diesem Werbespot „erklärt“ wird, dann überzeugt er mindestens fünf weniger gebildete Sozialhilfeempfänger davon, entsprechend zu wählen. Und – sorry – das kann weder das Interesse von Neoliberalen, noch von gemäßigt Rechten, und erst recht nicht von Linken sein. Also an dieser Stelle mal ein Aufruf an die etablierten Parteien, sich ein bisschen besser anzustrengen.

Um ganz Ehrlich zu sein: Ich bin für Datenschutz und alles, aber im Zweifelsfall haben die betreffenden Behörden ohnehin stets ein Recht auf Auskunft. Dementsprechend fände ich es ganz nett, wenn ich den Leuten manchmal einfach eine Unterschrift geben könnte, dass sie sich die Informationen die sie brauchen einfach selber holen. Einen Steuerberater, der solches Zeug für mich macht, kann ich mir momentan nicht leisten – wäre auch irgendwie ziemlicher Overkill.


Die digitale Revolution geht weiter

So, 21 Feb 2010 01:19:01 +0200

Noch immer hält sich ein ganzer Haufen Leute offenbar für besonders „Modern“ wenn er von „Web 2.0“ und der „digitalen Revolution“ redet, während uns von hinten bereits die Moralpanik einholt, nachdem der gewünschte Erfolg der Lobbyarbeit der Industriezweige, die dadurch weniger wichtig werden, bisher weitestgehend ausblieb.

Dass sie nicht aufzuhalten ist, und dass sich wohl letztendlich die Zensurinfrastruktur nicht durchsetzen wird, die sich manch einer wünscht, nun, das sind zwei dinge von denen ich überzeugt bin, und die ich auch hoffe. Wir erhalten davon eine erheblich größere Lebensqualität. Es mag für manch Einen z.B. sinnlos erscheinen, die Öffnungszeiten des Bäckers von Nebenan im Internet nachzuschaun, aber es erleichtert das Leben ungemein – wir müssen nicht erst hinlaufen, um an diese doch recht nebensächliche Information zu kommen.

Wenn wir aber etwas zu Essen wollen, dann holen wir es sicher von nebenan. Wir müssen laufen. Daran gibt es nichts zu rütteln. Oder etwa doch? Machen hier die Roboter bald den Bäckereien Konkurrenz? Nun, sicherlich noch Zukunftsmusik, die ich vielleicht als Rentner mal genießen darf, aber zumindest nicht ganz utopisch, wenn man sich die aktuelle Technik ansieht.

Anders als beim Essen – das man sich notfalls sowieso mit angemessenem Aufwandt selbst  machen könnte, und das ohnehin schon zu einem guten Teil der industriellen Großproduktion unterliegt – scheint zumindest die der Content-Industrie gegenüberzustellende Matierie-Industrie (Vorsicht: Neologismus) ansonsten kaum von den Problemen der Digitalisierung betroffen zu sein, wenn man vielleicht mal von ein paar geleakten Bauplänen absieht.

Zumindest Projekte für freie Hardware gibt es allerdings bereits. Openmoko sollte doch einigen Leuten ein Begriff sein. Weniger bekannt ist f-cpu, etwas bekannter dürfte das Openprinter-Project sein, welches seinerseits wiederum aus dem RepRap-Projekt hervorgegangen ist.

Das RepRap-Projekt will einen Drucker für 3d-Objekte erzeugen, das seinen eigenen Bausatz reproduzieren kann. Diesen mit offenen Spezifikationen. Meiner Meinung nach eine Richtung, in die die Entwicklung definitiv gehen wird. Und eine Entwicklung, die erhebliche Probleme verursachen wird, weil sie genau die Wirtschaftszweige angreifen wird, die momentan als sicher gelten. Bis man ein fertiges Haus mit allen seinen Küchengeräten ausdrucken kann wird es wohl noch einige Zeit dauern, und sicherlich werden einige Entwicklungen anders sein als man sie sich heute vorstellt, einfach, weil bei dem Versuch, dorthin zu kommen, sicherlich noch tausende bisher unbekannter Probleme auftreten werden, aber zumindest prinzipiell bezweifle ich, dass es besonders lange dauern wird, bis das 3d-Drucken zumindest in Form von Automaten für Alltagsgegenstände die einem grundsätzlich immer dann fehlen wenn man gerade unterwegs ist und sie mal braucht, seine Marktnische finden wird.

Ähnlich sehen es auch einige Experten, die im hervorragenden Beitrag vom Elektrischen Reporter dazu gefragt wurden. Auch einige Probleme werden hier genannt – zum Beispiel das Patentrecht.

Ich will nicht zu euphorisch sein, bis es wirklich mal so weit ist, dass man relevante selbstreproduzierende Bauteillieferanten hat, die diese automatisch aus Sonnenenergie und Müll erzeugen, wird bestimmt noch viel Zeit vergehen – aber zumindest glaube ich nicht, dass es unmöglich ist, ein solches Gerät zu bauen. Zu viele Entwicklungen der letzten Jahre waren noch zwanzig Jahre zuvor Science Fiction. Aber selbst wenn es noch lange eine Materie-Industrie geben wird, so ist doch zumindest abzusehen, dass diese große Teile verlieren wird. Weg von der harten Arbeit, die manch einer Proklamiert, hin zum Denken und Forschen. Schon jetzt ist das Denken und Modellieren enorm wichtig, hängt doch unser ganzer Fortschritt davon ab, zumindest kann man das Denken und Forschen aber momentan dadurch finanzieren, dass man das Erdachte tausendfach ausführt und verkauft – und noch kann sich die reine Handwerkstätigkeit in ihre Unentbehrlichkeit hüllen.

Beides wird aber wohl auf Dauer problematisch werden, der Beitrag des Elektrischen Reporters geht zum Beispiel auf Patentverletzungen ein. Noch ist es schwer, ein Patent profitabel zu missachten, solange es dabei nicht um Fleckviehexkrement wie Softwarepatente geht, aber man wird sich früher oder später überlegen müssen, ob das Patentrecht noch zweckmäßig und – vor Allem – durchsetzbar ist. Es stellt sich also die Frage, wie man die Ideenfindung – die ziemlich teuer werden kann – überhaupt finanzieren kann. „Vom Rumsitzen und Denken werden meine Kinder nicht satt“ – um Bauernschläue zu zitieren. Der Maurer muss in dem häuserausdruckenden Roboter zwangsläufig eine Bedrohung sehen, da ebendieser ihm die Existenzberechtigung nehmen kann, und auch der Landmaschinenschlosser wird kaum so Euphorisch über ersatzteilproduzierende Druckmaschinen sein, wie ich – und beide, genau wie der Rest der angegriffenen Klientel, sind sicherlich im Stande zu sehen, woher solche Angriffe kommen: Von Menschen, die herumsitzen und denken. Leute, die lieber eine Stunde denken, wie sie eine zweistündige Arbeit halbieren, als diese einfach zu erledigen. Leute die Arbeit minimieren wollen. Faule Leute eben.

Sie haben gelernt, dass Faulheit etwas schlechtes ist, sie haben gelernt, dass Geld ehrlich verdienen wichtig ist, sie haben gelernt, dass wer nicht arbeitet weniger gesellschaftlichen Wert hat, und sie bauen ihre Zufriedenheit darauf auf, dass sie ihr Leben, das ihnen härter erscheint als das Leben eines Nicht-Handwerkers, damit rechtfertigen. Im harten Arbeitskampf verlieren sie somit jegliche Ideen und Ideale, sofern die ihnen nicht schon in jüngeren Jahren von Eltern oder Schulkameraden herausgeprügelt wurden. Und natürlich wehren sie sich gegen Leute, die in dieses Weltbild eingreifen. So zumindest erkläre ich mir die Erfolge einiger Diskussionsfäden bezüglich des bedingungslosen Grundeinkommens. Zu den jüngsten Ergüssen einiger Politiker nimmt übrigens unter Anderem der Spiegelfechter ziemlich gut Stellung.

Nun, keiner kann bestreiten, dass der Kapitalismus es war, der uns so weit gebracht hat. Ob es auch mit dem Sozialismus – der ja auch einige wissenschaftliche Errungenschaften verbuchen konnte – oder gar in einer anarchistischen Gesellschaft soweit gekommen wäre, das werden wir vielleicht nie erfahren. Die Frage ist nur, ob unsere Vorstellungen von Eigentum und Besitz in Zukunft noch bestand haben können. Ein paar heruntergeladene MP3’s, ein paar untergegangene Verlage, ein paar weniger Bäckereien, daran wird das Wirtschaftssystem nicht untergehen. Aber die Entwicklung weg von der Materie, hin zu den Datensätzen, wird sicher weitergehen. Und es wird sicher einige Male noch passieren, dass sich die betreffenden Wirtschaftszweige dagegen streuben und versuchen, Gesetze durchzusetzen, die diese Entwicklungen stoppen.

Ich denke, die Frage ist nur, wie viele Male die Gesellschaft benötigt, um das System zu überdenken, und dem Leben vielleicht einen anderen Wert zu geben, als braves Arbeiten.