Noch immer hält sich ein ganzer Haufen Leute offenbar für besonders „Modern“ wenn er von „Web 2.0“ und der „digitalen Revolution“ redet, während uns von hinten bereits die Moralpanik einholt, nachdem der gewünschte Erfolg der Lobbyarbeit der Industriezweige, die dadurch weniger wichtig werden, bisher weitestgehend ausblieb.
Dass sie nicht aufzuhalten ist, und dass sich wohl letztendlich die Zensurinfrastruktur nicht durchsetzen wird, die sich manch einer wünscht, nun, das sind zwei dinge von denen ich überzeugt bin, und die ich auch hoffe. Wir erhalten davon eine erheblich größere Lebensqualität. Es mag für manch Einen z.B. sinnlos erscheinen, die Öffnungszeiten des Bäckers von Nebenan im Internet nachzuschaun, aber es erleichtert das Leben ungemein – wir müssen nicht erst hinlaufen, um an diese doch recht nebensächliche Information zu kommen.
Wenn wir aber etwas zu Essen wollen, dann holen wir es sicher von nebenan. Wir müssen laufen. Daran gibt es nichts zu rütteln. Oder etwa doch? Machen hier die Roboter bald den Bäckereien Konkurrenz? Nun, sicherlich noch Zukunftsmusik, die ich vielleicht als Rentner mal genießen darf, aber zumindest nicht ganz utopisch, wenn man sich die aktuelle Technik ansieht.
Anders als beim Essen – das man sich notfalls sowieso mit angemessenem Aufwandt selbst machen könnte, und das ohnehin schon zu einem guten Teil der industriellen Großproduktion unterliegt – scheint zumindest die der Content-Industrie gegenüberzustellende Matierie-Industrie (Vorsicht: Neologismus) ansonsten kaum von den Problemen der Digitalisierung betroffen zu sein, wenn man vielleicht mal von ein paar geleakten Bauplänen absieht.
Zumindest Projekte für freie Hardware gibt es allerdings bereits. Openmoko sollte doch einigen Leuten ein Begriff sein. Weniger bekannt ist f-cpu, etwas bekannter dürfte das Openprinter-Project sein, welches seinerseits wiederum aus dem RepRap-Projekt hervorgegangen ist.
Das RepRap-Projekt will einen Drucker für 3d-Objekte erzeugen, das seinen eigenen Bausatz reproduzieren kann. Diesen mit offenen Spezifikationen. Meiner Meinung nach eine Richtung, in die die Entwicklung definitiv gehen wird. Und eine Entwicklung, die erhebliche Probleme verursachen wird, weil sie genau die Wirtschaftszweige angreifen wird, die momentan als sicher gelten. Bis man ein fertiges Haus mit allen seinen Küchengeräten ausdrucken kann wird es wohl noch einige Zeit dauern, und sicherlich werden einige Entwicklungen anders sein als man sie sich heute vorstellt, einfach, weil bei dem Versuch, dorthin zu kommen, sicherlich noch tausende bisher unbekannter Probleme auftreten werden, aber zumindest prinzipiell bezweifle ich, dass es besonders lange dauern wird, bis das 3d-Drucken zumindest in Form von Automaten für Alltagsgegenstände die einem grundsätzlich immer dann fehlen wenn man gerade unterwegs ist und sie mal braucht, seine Marktnische finden wird.
Ähnlich sehen es auch einige Experten, die im hervorragenden Beitrag vom Elektrischen Reporter dazu gefragt wurden. Auch einige Probleme werden hier genannt – zum Beispiel das Patentrecht.
Ich will nicht zu euphorisch sein, bis es wirklich mal so weit ist, dass man relevante selbstreproduzierende Bauteillieferanten hat, die diese automatisch aus Sonnenenergie und Müll erzeugen, wird bestimmt noch viel Zeit vergehen – aber zumindest glaube ich nicht, dass es unmöglich ist, ein solches Gerät zu bauen. Zu viele Entwicklungen der letzten Jahre waren noch zwanzig Jahre zuvor Science Fiction. Aber selbst wenn es noch lange eine Materie-Industrie geben wird, so ist doch zumindest abzusehen, dass diese große Teile verlieren wird. Weg von der harten Arbeit, die manch einer Proklamiert, hin zum Denken und Forschen. Schon jetzt ist das Denken und Modellieren enorm wichtig, hängt doch unser ganzer Fortschritt davon ab, zumindest kann man das Denken und Forschen aber momentan dadurch finanzieren, dass man das Erdachte tausendfach ausführt und verkauft – und noch kann sich die reine Handwerkstätigkeit in ihre Unentbehrlichkeit hüllen.
Beides wird aber wohl auf Dauer problematisch werden, der Beitrag des Elektrischen Reporters geht zum Beispiel auf Patentverletzungen ein. Noch ist es schwer, ein Patent profitabel zu missachten, solange es dabei nicht um Fleckviehexkrement wie Softwarepatente geht, aber man wird sich früher oder später überlegen müssen, ob das Patentrecht noch zweckmäßig und – vor Allem – durchsetzbar ist. Es stellt sich also die Frage, wie man die Ideenfindung – die ziemlich teuer werden kann – überhaupt finanzieren kann. „Vom Rumsitzen und Denken werden meine Kinder nicht satt“ – um Bauernschläue zu zitieren. Der Maurer muss in dem häuserausdruckenden Roboter zwangsläufig eine Bedrohung sehen, da ebendieser ihm die Existenzberechtigung nehmen kann, und auch der Landmaschinenschlosser wird kaum so Euphorisch über ersatzteilproduzierende Druckmaschinen sein, wie ich – und beide, genau wie der Rest der angegriffenen Klientel, sind sicherlich im Stande zu sehen, woher solche Angriffe kommen: Von Menschen, die herumsitzen und denken. Leute, die lieber eine Stunde denken, wie sie eine zweistündige Arbeit halbieren, als diese einfach zu erledigen. Leute die Arbeit minimieren wollen. Faule Leute eben.
Sie haben gelernt, dass Faulheit etwas schlechtes ist, sie haben gelernt, dass Geld ehrlich verdienen wichtig ist, sie haben gelernt, dass wer nicht arbeitet weniger gesellschaftlichen Wert hat, und sie bauen ihre Zufriedenheit darauf auf, dass sie ihr Leben, das ihnen härter erscheint als das Leben eines Nicht-Handwerkers, damit rechtfertigen. Im harten Arbeitskampf verlieren sie somit jegliche Ideen und Ideale, sofern die ihnen nicht schon in jüngeren Jahren von Eltern oder Schulkameraden herausgeprügelt wurden. Und natürlich wehren sie sich gegen Leute, die in dieses Weltbild eingreifen. So zumindest erkläre ich mir die Erfolge einiger Diskussionsfäden bezüglich des bedingungslosen Grundeinkommens. Zu den jüngsten Ergüssen einiger Politiker nimmt übrigens unter Anderem der Spiegelfechter ziemlich gut Stellung.
Nun, keiner kann bestreiten, dass der Kapitalismus es war, der uns so weit gebracht hat. Ob es auch mit dem Sozialismus – der ja auch einige wissenschaftliche Errungenschaften verbuchen konnte – oder gar in einer anarchistischen Gesellschaft soweit gekommen wäre, das werden wir vielleicht nie erfahren. Die Frage ist nur, ob unsere Vorstellungen von Eigentum und Besitz in Zukunft noch bestand haben können. Ein paar heruntergeladene MP3’s, ein paar untergegangene Verlage, ein paar weniger Bäckereien, daran wird das Wirtschaftssystem nicht untergehen. Aber die Entwicklung weg von der Materie, hin zu den Datensätzen, wird sicher weitergehen. Und es wird sicher einige Male noch passieren, dass sich die betreffenden Wirtschaftszweige dagegen streuben und versuchen, Gesetze durchzusetzen, die diese Entwicklungen stoppen.
Ich denke, die Frage ist nur, wie viele Male die Gesellschaft benötigt, um das System zu überdenken, und dem Leben vielleicht einen anderen Wert zu geben, als braves Arbeiten.